Ältester Briefmarkensammlerverein Deutschlands


Hindenburgfrankaturen Teil 6

Besondere Abstemplungen

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Unter dem Aspekt der Abstempelungen eröffnet sich ein sehr weites Feld bei der Betrachtung der Frankaturen. Wenig beliebt sind Dauerwerbe- und Sonderstempel, da sowohl Marken- als auch Belegsammler heute den Bedarf schätzen und Ortsstempel suchen. Unsere Großväter sahen das ganz anders und trugen gerne Sonderstempel zusammen. Da Philatelie früher eine Massenbewegung war, verwundert es nicht, dass z.B. im Januar 1941 in 214 verschiedenen Städten (!) Sonderstempel zum Tag der Briefmarke vorgehalten wurden und diese noch mit bis zu zehn verschieden Motiven variierten. Werden solche Werbestempel heute gern von Heimatsammlern in Bezug auf ihre Stadt (-geschichte) zusammengetragen, so sind Propagandastempel, privat beigesetzt vom Absender, überraschend rar. Der Autor kennt z.B. nur zwei solcher Stempel außerhalb Österreichs ("Der Führer in Wien") mit "Deutschland erwache!" mit Hakenkreuz im Zweikreisstempel verwendet 1933 und den Dreizeiler "Ehret die Arbeitsopfer / und die des Krieges / Der Führer verlangt dies!" von 1934. Diese Abstempelungen dienen ebenso gut wie die sogenannten "Befreiungsstempel" im 1938 annektierten tschechischen Staatsgebiet dazu, unsere Geschichte erlebbar zu machen.



Abbildung 1

Beispielhaft dazu die Eilbotenkarte ( 40 Pf plus 6 Pf ) ab "Eger Wir sind frei" 25.10.1938 (Abb. 1) nach "Aussig 2". Dieser Ankunftsstempel vom gleichen Tag ist nicht nur untypisch in violetter Stempelfarbe abgeschlagen, sondern ist offensichtlich neu und provisorisch angefertigt; er zeigt einen deutlich größeren Durchmesser als Normtypstempel, der Mittelsteg ist durchgehend. Der Ankunftsstempel ist kein typischer "Befreiungsstempel", zeigt aber auf seine Art unter Auslassung der tschechischen Ortsbezeichnung Usti nad Labem die besondere Situation, Eile, aber auch das Geltungsbewusstsein, im annektierten Gebiet nun die alleinige Posthoheit zu beanspruchen. Für das ehemals von mehreren Millionen Deutsch-Stämmigen bewohnte ehemalige Sudetenland gibt es da viel zu sammeln und geschichtlich zu dokumentieren, wobei anzumerken ist, dass der Begriff "Befreiungsstempel" aus tschechischer Sicht alles andere als akzeptabel ist. Philateliegeschichtlich interessanter als diese sind dann auch mehr provisorische (Not-)Stempel, weil sie eben keine geplante, gut vorbereitete Übernahme zeigen, sondern ein Provisorium. Dazu wird ein Antwortbrief an die DONAU Versicherungs AG "Direktion für die Cechoslovakische Republik" gezeigt, wobei dieser mit einem Notstempel "Postamt Bischofteinitz" entwertet und die Direktion handschriftlich durchstrichen und nun ergänzt für "den Sudentengau" ist (Abb. 2).



Abbildung 2

So wird der Raubzug noch eindrücklicher auf Beleg erlebbar und zeitlich zuordenbar, auch wenn kein Datum auf dem Beleg vermerkt ist. Der Brief geht nach "Reichenberg" (Liberec) und dort auf den Konrad-Henlein-Platz I, der nun nach dem Führer der Sudetendeutschen Partei benannt ist. Anschaulicher kann Geschichte kaum "belegt" werden!  

Interessant sind aus Sicht des Autors auch die zahlreichen Einsätze in Maschinenwerbestempel (MWSt) auf Hindenburgfrankaturen, die ab 1933 z.B. die nationalsozialistische Sozial-, Frauen- und Familienpolitik beleuchten. Beispielhaft werden zunächst die MWSt "Kinderreichtum / die deutsche / Schicksalsfrage / RdK"  und "Kinderreichtum / ist praktizierter Nationalsozialismus / RdK" (Abb. 3.1 und 3.2) gezeigt.


Abbildung 3.1



Abbildung 3.2

Erklärtes Ziel der Nazis war es, die Frauen aus dem Berufsleben heraus- und in die Rolle der Mehrfachmutter hineinzudrängen. Dazu wurde die Steuerlast für Mehrverdiener-haushalte deutlich erhöht und Beschäftigungsverhältnisse für Frauen erschwert; allein dadurch fielen so bis Ende 1935 ca. eine halbe Million Frauen aus der Arbeitslosenstatistik. Deren weitere Reduzierung durch Beschäftigungsprogramme, Autobahnbau und ab 1935 die Zwangsverpflichtung im Reichsarbeitsdienst und die Wehrpflicht führten bis zur Vollbeschäftigung 1937. Man kann und man muss sich vorstellen, dass diese Entwicklung in weiten Teilen der Bevölkerung dazu beigetragen hat, eben nicht in Opposition zu gehen, nachdem schon 1932 in 16 der 35 Wahlkreise im Deutschen Reich die Nationalsozialisten mit 40 % oder mehr zur deutlich stärksten Reichstagsfraktion gewählt wurde. Die Erwartungen vieler hellten sich durch mehr Arbeit auf, zwischen 1932 und 34 betrug der Anstieg der Eheschließungen um 40 %.



Abbildung 4

Es überrascht aus heutiger Sicht immer wieder, wie positiv die damalige Generation über Erfahrungen in entsprechenden Jugendorganisationen berichtet; beispielhaft für eine solche ist ein Beleg mit MWSt "Arbeit Freude Kameradschaft in der Jugendgruppe NS Frauenschaft Deutsches Frauenwerk" (Abb. 4). Tatsächlich haben Erlebnisse in der Gruppe, Ausfahrten und Wanderungen bleibende positive Erinnerungen hinterlassen, besonders wohl in den Bevölkerungskreisen, die so etwas bis 1933 infolge wirtschaftlicher Not und Benachteiligung gar nicht kannten. Die Nicht-Großbürgerliche Mehrzahl der Bevölkerung konnte und kannte zuvor keinen Urlaub, die Kraft durch Freude (KdF)- Organisation fällt einen hier ein. Eine Bildkarte eines Ausflugsdampfers ab "Helgoland" 1939 mit Schiffsstempel "Kraft durch Freude, 30.7.1939, Dampfer Cobra" (Abb. 5) dokumentiert eine solche Annehmlichkeit; "Gefällt uns gut" lassen die Absender wissen.



Abbildung 5

Der Einsatz im MWSt "Nur gesunde Vollfamilien verbürgen Deutschlands Zukunft!" weist auf meinen Ausgangspunkt nationalsozialistischer Familienpolitik zurück, deren Ziel viele erbgesunde Kinder waren, wobei wir heute die Fortsatz des "Kanonenfutters" immer mitdenken. Die "Pflege und Erhaltung der erbgesunden kinderreichen Familie" war damals allerdings "Mainstream" unter Sozialpolitikern und Medizinern und ab 1930 Zielsetzung des bereits 1922 gegründeten Reichsbundes kinderreicher Familien, RdK (siehe Abb. 3), keiner originär national-sozialistischen Organisation, zu der sie nach 1933 selbstredend wurde.

Nach so viel Geschichte ein Themenwechsel. Besondere Abstempelungen sind auch Bahnpoststempel, die ein eigenes reizvolles Sammelgebiet bilden, das hier durch eine Bahnpostbeförderung "Zug 1241 Lübeck-Burg" vom Januar 1939 (Abb. 6) vertreten wird.



Abbildung 6

Ihr Ziel ist die Lokomotivfabrik Borsig in Tegel, abgesandt von der Direktion der Oldenburgischen Eisenbahn; ein doch wohl spezieller Bahnpostbeleg! Speziell sind auch die Stempelirrtümer, die den korrekten deutschen Postbeamten doch eher selten unterliefen, so ab "Herrenberg" 5.10. 23, rs. Ankunft "Kiel" richtig 6.10.34 (Abb. 7).



Abbildung 7


Bei Bedarf wurden die Hindenburgmarken auch mittels Paket-/Notstempel entwertet, was dann selten ist, wenn das mit einer anderen gültigen Stempelentwertung zusammentrifft, so in "Berlin NW 7" im März 1934 (Abb. 8).



Abbildung 8

Diese Auswahl ist nur ein kleiner Ausschnitt; es gibt auch Notstempel für fehlende R-Zettel, Freimarkenautomationsstempel (Abb. 9), Schiffspoststempel (Abb. 5), beigesetzte Stempel z.B. für Post aus dem Reichstag oder von Berghütten im alpinen Raum etc. Wer noch kein ergänzendes Sammelgebiet zu seiner Markensammlung gefunden hat, findet hier vielleicht eine Anregung!



Abbildung 9


Dr. Axel Eska

IPV 1877 Dresden e.V.

Verwendete Quellen: www.wikipedia