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Das Deutsche Hygiene-Museum


Vor knapp 90 Jahren wurde das Deutsche Hygiene-Museum in Dresden eröffnet. Doch seinen Ursprung hatte das Museum bereits 1911 und seine Entstehung ist untrennbar mit einem Namen verbunden – Karl August Lingner. Der Unternehmer hatte es mit der erfolgreichen Vermarktung des Mundwassers „ODOL“ zu Ansehen und Wohlstand gebracht. Er war einer der Initiatoren der I. Internationalen Hygiene-Ausstellung, die vom 6. Mai bis zum 31. Oktober 1911 in Dresden stattfand und die mehr als 5 Millionen Besucher zählte.


Abbildung 1: oben rechts – Ausschnitt der Rückseite der darunter abgebildeten Ansichtskarte zur I. Internationalen Hygiene-Ausstellung 1911 in Dresden mit dem Sonderstempel der Ausstellung; unten - Vorderseite der Karte mit dem Festplatz und der zentralen Ausstellungshalle „DER MENSCH“



Die Internationale Hygiene-Ausstellung diente der gesundheitlichen Aufklärung breiter Schichten der Bevölkerung. Die Erhaltung und die Pflege der Gesundheit spielten Anfang des 20. Jahrhunderts eher eine untergeordnete Rolle im täglichen Leben. Ebenso wurden den Besuchern die Vorteile einer sportlichen Betätigung in der Freizeit aufgezeigt. Neben den 99 verschiedenen Pavillons sorgten zahlreiche Cafés und Restaurants, eine Kegelbahn ein Wellenbad, eine Rodelbahn und Musikpavillons für gute Unterhaltung.  

Karl August Lingner wurde am 21. Dezember 1861 als Sohn eines Kaufmanns in Magdeburg geboren. Nach der Schule ging er mit 15 Jahren als Handlungsgehilfe nach Gardelegen. Einige Jahre später scheiterte sein Versuch in Paris Musik zu studieren. Er kehrte nach Deutschland zurück und fand in Dresden eine Anstellung in der Nähmaschinenfabrik "Seidel & Naumann".

Dort hielt es ihn aber auch nicht lange und er gründete mit einem Techniker G.W. Kraft die Firma Lingner & Kraft, die u.a. Federreiniger, Stahllineale und Rückenkratzer herstellte. Der Durchbruch gelang erst, nachdem ihm sein Freund Richard Seifert 1891 ein selbst entwickeltes Antiseptikum anbot. Lingner (Abbildung 2) erkannte sofort das Potenzial. Da der Mund seinerzeit als Einfallstor für Krankheiten galt, fügte er dem Antiseptikum ein paar ätherische Öle bei und verkaufte es als Mundwasser unter dem Namen „ODOL“. Der Name setzt sich zusammen aus dem griechischen Wort odous (Zahn) und dem lateinischen Wort oleum (Öl). 



Abbildung 3: Ganzsachenkarte aus Österreich von der „Odol“-Fabrik in Bodenbach

Das Mundwasser verkauft sich gut in Deutschland. Doch Lingner will mehr. Er entwickelt „ODOL“ mit geschickter Werbung zu einem der ersten Markenprodukte weltweit. Beispielsweise platziert er mit einem riesigen finanziellen Aufwand in allen großen Zeitungen rund um den Globus eine Annonce mit der Werbung für sein Produkt.  Die steigende Nachfrage führte zur Gründung des „Dresdner Chemischen Laboratoriums Lingner“ (später Lingner-Werke) mit Niederlassungen in mehreren Ländern.



Abbildung 4: Nachnahmepaketkarte mit eingedrucktem Absender

In relativ kurzer Zeit erwirtschafte Lingner ein Millionenvermögen, das ihm einen luxuriösen  Lebensstil ermöglichte. 1906 erwarb er die Villa Stockhausen (Abbildung 5).



Das mittlere der drei Elbschlösser trägt heute seinen Namen. In seinem Testament vermachte er das Schloss der Stadt Dresden und verfügte, dass alle Bürger einen freien Zugang zum Schloss und dem dazu gehörigen Park haben sollen. Sein Vermögen gab ihm auch Spielraum zur Umsetzung gemeinnütziger Pläne. 1898 war er Mitbegründer der weltweit ersten Säuglingsklinik in der Dresdner Johannstadt (Arnoldstr. 1).

Weitere Teile seines Vermögens setzte er für die Aufklärung des Volkes über Hygiene und zur Vermeidung von Krankheiten ein. Letztendlich wurden sein Ideen und Visionen mit der I. Internationalen Hygiene-Ausstellung in Dresden verwirklicht. Die Ausstellung war aber nicht nur inhaltlich ein Erfolg. Sie erwirtschaftete einen Gewinn von über einer Million Mark. Dieser Gewinn floss in das Stiftungskapital der 1912 gegründeten Stiftung zur Errichtung eines Deutschen Hygiene-Museums. In einer Denkschrift äußerte Lingner: „Das Hygiene-Museum soll Stätte der Belehrung sein für die ganze Bevölkerung, in der jedermann durch Anschauung Kenntnisse erwerben kann, die ihn zu einer vernünftigen und gesundheitsfördernden Lebensführung befähigen.“ (1)

Die Vollendung seines Lebenswerkes erlebte Lingner leider nicht mehr. Paradoxerweise  verstarb der Protagonist der Mundhygiene bereits am 5. Juni 1916 an Zungenkrebs.

Das Hygiene-Museum wurde nach Plänen von Wilhelm Kreis, der bereits die Friedrich-August-Brücke und den Bismarckturm entworfen hatte, in den Jahren 1927 bis 1930 errichtet. Architektonisch ist das Bauwerk eine Mischung aus verschiedenen Baustilen.



Abbildung 6: Bildpostkarte Deutsches Reich (2)

Es verbindet die klaren Formen und die einfachen Linien des Klassizismus mit Elementen des Bauhausstils. Die unverwechselbare Ansicht des Gebäudekomplexes wird durch die hohe Fensterfront des Ausstellungsgebäudes in der Mitte geprägt und verleiht dem gesamten Ensemble das monumentale Erscheinungsbild, das sich in vielen Bauwerken von Wilhelm Kreis findet. Am 16. Mai 1930 wurde das Museum als zentraler Bestandteil der II. Internationalen Hygiene-Ausstellung in Dresden eröffnet. Der in den eigenen Werkstätten gefertigte „Gläserne Mensch“ wurde zur Hauptattraktion der Ausstellung. Erstmalig wurde ein dreidimensionales Modell eines Menschen mit allen seinen wesentlichen Bestandteilen gezeigt. Die Hülle besteht nicht, wie der Name vermuten lässt, aus Glas sondern aus dem durchsichtigen Kunststoff Cellon, einem Celluloseacetat.   



 Abbildung 7: portogerechter DDR-FDC mit Schmuckzudruck der „Gläsernen Frau“

Im Inneren der Figur sind die Nerven- und Blutbahnen, die inneren Organe und das gesamte Skelett sichtbar. Auf Grund des großen Erfolges wurden zwischen 1930 und 1945 weitere neun „Gläserne Menschen“ hergestellt, die weltweit in Museen und auf Wanderausstellungen zu sehen waren. Zu DDR-Zeiten entwickelten sich die Figuren zum Exportschlager. Neben mehr als einhundert „Gläsernen Menschen“ (darunter eine schwangere Frau) entstanden auch fünf „Gläserne Pferde“ und acht „Gläserne Kühe“.

Zwischen 1933 und 1945 stellte sich das Museum in den Dienst der Nationalsozialisten und propagierte deren Rassenhygiene, die ihre Ziele durch Massensterilisation, Euthanasie und letztendlich den Holocaust zu erreichen versuchte.

Bei der Bombardierung Dresdens am 13. Februar 1945 wurde das Museum fast vollständig zerstört. Große Teile der Sammlungen gingen für immer verloren. Der Wiederaufbau in einer schweren Zeit orientierte sich zwar am Vorgängerbau, wich aber beispielsweise bei der Farbgebung zum Teil von diesem ab. Erst mit der Sanierung unter der Leitung des renommierten Architekten Peter Kulka  in den Jahren 2001 bis 2010 wurde der Originalzustand weitestgehend wieder hergestellt.

Auch in der DDR widmete sich das Museum der gesundheitlichen Aufklärung insbesondere auch von Kindern. Für sie wurde die Figur „Kundi“ geschaffen, die mit Filmen und Comics spielerisch wichtige Regeln der Hygiene vermittelte.



Abbildung 8: portogerechter DDR-Dienstbrief mit dem seit 1911 immer wieder verwendeten Symbol des wachenden Auges

Aktuell werden im Museum zwei Dauerausstellungen gezeigt. In „Abenteuer Mensch“ werden die verschiedenen Seiten des menschlichen Lebens beleuchtet. Im Mittelpunkt steht immer noch die „Gläserne Frau“. Die interaktive Ausstellung „Welt der Sinne“ richtet sich vorwiegend an Kinder. Ständig wechselnde Sonderausstellungen beschäftigen sich mit interessanten Themen. Aktuell läuft die Ausstellung „Future Food“.


Quellenverzeichnis: Wikipedia; Homepage des Hygiene-Museums: www.dhmd.de

1) Karl August Lingner – 1912 „Denkschrift zur Errichtung eines National-Hygiene-Museums in Dresden“

2) Das Jahr 1931 auf der Bildpostkarte ist exakt, da die Ausstellung bis zum 20.10.1931 verlängert wurde